ZBB 1999, 103

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH, Köln RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH, Köln 0936-2800 Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft ZBB 1999 ZBB-DokumentationJohannes Köndgen*

Das neue Recht der Banküberweisung … und die heimliche Aushöhlung des AGB-Gesetzes

I. Das neue Überweisungsrecht

1. Die Gleichstellung von Inlands- und Auslandsüberweisung

Der nachstehend abgedruckte Entwurf eines Überweisungsgesetzes enthält in seinem Hauptteil die Umsetzung der EU-Richtlinie über grenzüberschreitende Überweisungen.1 Lange Zeit hatte es den Anschein, als würde sich der deutsche Gesetzgeber mit einer Minimalumsetzung begnügen und nur das Recht der grenzüberschreitenden Überweisung neu regeln. In einem couragierten Schritt hat sich der Gesetzgeber jetzt aber dazu durchgerungen, auch das Recht der Inlandsüberweisung in weitestgehender Angleichung an die Vorgaben der Richtlinie von Grund auf neu zu fassen und diese Neufassung in das Geschäftsbesorgungsrecht des BGB zu integrieren. Diese Entscheidung verdient uneingeschränkte Anerkennung. Nach der Einführung der einheitlichen Währung und angesichts des mittelfristig zu erwartenden Beitritts Großbritanniens zur Währungsunion wäre es geradezu ein Anachronismus gewesen, für Überweisungen innerhalb der Euro-Zone zweierlei Recht fortgelten zu lassen. Dafür war allerdings ein Preis in Gestalt tiefer Einschnitte in das Recht der Geschäftsbesorgung und des Girovertrages zu zahlen.

II… . und die Änderung des AGB-Gesetzes

Am Schluß dieses Entwurfs eines Überweisungsgesetzes wird der nichtsahnende Leser noch mit einer weittragenden Änderung des AGB-Gesetzes überrascht. Es entspricht dies einer neuerdings häufiger zu beobachtenden Unsitte des Gesetzgebers, Gesetzesänderungen, die mit dem Generalthema eines Entwurfs kaum noch zu tun haben, dort sozusagen zu verstecken und dadurch, absichtlich oder nicht, der Diskussion durch die interessierte Fachöffentlichkeit zu entziehen. Was der Gesetzgeber den Verfassern von überraschenden AGB-Klauseln verbietet, sollte er tunlichst nicht selbst praktizieren.
Gegen die geplante Änderung des § 9 Abs. 2 AGBG ist indes nicht nur hinsichtlich dieser Verfahrensweise, sondern auch in der Sache Protest einzulegen. Der Gesetzgeber will in Gestalt des neuen § 9 Abs. 2 Satz 3 AGBG einer rechtsdogmatischen Streitfrage mit dem berüchtigten Federstrich den Garaus machen – was ganz grundsätzlich nicht seine Aufgabe ist. In der Sache nimmt der Entwurf Partei für eine Minderheitenposition im Schrifttum, wonach die AGB-förmige Wahl unter gesetzlich eröffneten Gestaltungs- bzw. Abweichungsmöglichkeiten („opting-out“-Regeln)10 der AGB-Kontrolle entzogen sei („Theorie der Erlaubnisnorm“)11. Bedeutung erlangt hat die Frage bekanntlich für die Zulässigkeit der sogenannten nachschüssigen Tilgungsverrechnung von Hypothekarkrediten. Wäre der Entwurf damals schon Gesetz gewesen, so hätte der Bundesgerichtshof12 diese AGB-Praxis nicht kontrollieren dürfen, da § 20 Abs. 2 HBG der Realkreditwirtschaft diese Option ausdrücklich eingeräumt hat.
Als redaktioneller Kunstfehler muß zunächst die Ansiedlung der neuen Vorschrift bei § 9 Abs. 2 AGBG gelten, denn eine Regel, die die AGB-Inhaltskontrolle a limine beschränkt, gehört systematisch nicht zu § 9, sondern zu § 8 AGBG. Der Vorbehalt, daß die neue Norm nur „im Zweifel“ angewendet sein will, ändert daran nichts; ohnedies sollte der Gesetzgeber diese Regelungstechnik nicht anwenden, wo es nicht um die Ausräumung tatsächlich-tatbestandlicher Zweifel (praesumtio facti), sondern um reine Rechtsfragen geht. Auch der Politik des AGB-Gesetzes widerspricht die Vorschrift diametral. Die Wahl unter gesetzlich eröffneten Gestaltungsoptionen geschieht genauso in Ausübung der Privatautonomie, wie wenn das Gesetz gänzlich schwiege. Eine entsprechende AGB-Klausel ist also nicht lediglich eine kontrollimmune „deklaratorische Klausel“.13 Und die Ausübung der Privatautonomie gerät, wie sonst auch, unter den Verdacht inhaltlicher Unausgewogenheit, wenn sie in Gestalt einseitig vorformulierter Geschäftsbedingungen erfolgt. Konkreter: Bei der formularmäßigen Wahl zwischen gesetzlichen Gestaltungsoptionen oder auch zwischen Regel- und Ausnahmebestimmung wird der AGB-Aufsteller häufig der Versuchung erliegen, schematisch an die Grenze des gesetzlich gerade noch Tolerierten zu gehen.
Das AGB-Gesetz ist eine der bedeutendsten Leistungen deutscher Privatrechtsgesetzgebung nach dem Kriege und hat international eine Pionierrolle gespielt. Es sollte nicht durch derlei gedankenlose Änderungen beschädigt werden.
*
*)
Dr. hur.,Universitätsprofessor in Bonn.
1
1)
Richtlinie 97/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. 1. 1997 für grenzüberschreitende Überweisungen (Überweisungsrichtlinie), ABl Nr. L 43/25. Kurze Würdigung der Richtlinie durch U. H. Schneider, Die Angleichung des Rechts der grenzüberschreitenden Überweisungen, EuZW 1997, 589 ff; vgl. auch Schmidt-Räntsch, Zur Umsetzung der Überweisungsrichtlinie, in: Horn/Schimansky (Hrsg.), Bankrecht 1998, RWS-Forum 12, 1998, S. 139.
10
10)
Beispiele: § 651h BGB; § 8 Abs. 2 VVG; § 20 Abs. 2 HBG.
11
11)
Urheber dieser Theorie ist Canaris, Zinsberechnungs- und Tilgungsverrechnungsklauseln beim Annuitätendarlehen, NJW 1987, 609, 611; zum Meinungsstand Wolf/Horn/Lindacher, AGBG, 3. Aufl., 1994, § 8 Rz. 25.
12
12)
BGHZ 106, 42 = ZIP 1988, 1530, dazu auch Baums, Zur Transparenz der Berechnung von Darlehenszinsen, ZIP 1989, 7, und EWiR 1989, 1 (Löwe).
13
13)
Dazu statt aller Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 8. Aufl., 1997, § 8 Rz. 30 ff.

Der Inhalt dieses Beitrags ist nicht frei verfügbar.

Für Abonnenten ist der Zugang zu Aufsätzen und Rechtsprechung frei.


Sollten Sie über kein Abonnement verfügen, können Sie den gewünschten Beitrag trotzdem kostenpflichtig erwerben:

Erwerben Sie den gewünschten Beitrag kostenpflichtig per Rechnung.


PayPal Logo

Erwerben Sie den gewünschten Beitrag kostenpflichtig mit PayPal.

Verlagsadresse

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG

Aachener Straße 222

50931 Köln

Postanschrift

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG

Postfach 27 01 25

50508 Köln

Kontakt

T (0221) 400 88-99

F (0221) 400 88-77

info@rws-verlag.de

© 2024 RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG

Erweiterte Suche

Seminare

Rubriken

Veranstaltungsarten

Zeitraum

Bücher

Rechtsgebiete

Reihen



Zeitschriften

Aktuell