RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln
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2199-1715
Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft
ZBB
2023
RechtsprechungOberlandesgerichteGG Art. 14 Abs. 1; WpÜGAngebV § 5 Abs. 4; SpruchG § 8 Abs. 2, § 17 Abs. 1; FamFG § 69 Abs. 1 Satz 1; ZPO § 287 Abs. 2Bewertung der Barabfindung für die Übertragung von Aktien von Minderheitsaktionären auf den Hauptaktionär
GGArt. 14
WpÜGAngebV§ 5
SpruchG§ 8
SpruchG§ 17
FamFG§ 69
ZPO§ 287
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28.11.2022 – I-26 W 4/21 (AktE) (LG Düsseldorf), WM 2023, 1070OLG DüsseldorfBeschl.28.11.2022I-26 W 4/21 (AktE)WM 2023, 1070LG Düsseldorf
Leitsätze des Gerichts:
1. Die unmittelbare Bestimmung des Anteilswertes allein anhand des Börsenwertes scheidet aus, wenn der Börsenkurs nur eingeschränkt aussagekräftig war.
2. Die Wahl der Bewertungsmethode im gerichtlichen Spruchverfahren obliegt grundsätzlich dem Tatrichter im Rahmen seines Schätzermessens. Weder die Aktionäre noch die Antragsgegnerin haben einen Anspruch auf die Anwendung einer konkreten Bewertungsmethode oder Beibehaltung der durch die Bewerterin/Prüferin bzw. des Gerichts erster Instanz gewählten Methode – hier: der Ertragswertmethode.
3. Der Umstand, dass Aktien der zu bewertenden Gesellschaft nur im Freiverkehr gehandelt wurden, steht der Heranziehung des Börsenkurses nicht entgegen, wenn die Aktien auf einem besonderen Teilsegment des Freiverkehrs – hier: im Segment „Entry Standard“ der Börse Frankfurt – mit einem den gesetzlichen Publizitäts- und Transparenzvorschriften vergleichbaren Informationsregime gehandelt wurden und konkrete Informationsdefizite nicht geltend gemacht sind.
4. Ob der Börsenkurs als Ergebnis einer effektiven Informationsbewertung tatsächlich den Unternehmenswert widerspiegelt, lässt sich nicht allein mit Hilfe der für die Frage der Marktenge entwickelten Kriterien des § 5 Abs. 4 WpÜG-AV beurteilen, vielmehr bedarf es einer ergänzenden Beurteilung der Liquidität. Mit der Liquiditätsanalyse sind insbesondere das Handelsvolumen pro Tag, die Relation aus Tagen mit Handel zu möglichen Handelstagen, der Streubesitz, die Handelsquote sowie die durchschnittliche relative Geld-Brief-Spanne gemessen an Durchschnittswerten der Indizes für den jeweiligen Zeitraum in den Blick zu nehmen.
5. Steht schon die nur eingeschränkte Liquidität – hier: sowohl im Drei-Monats-Zeitraum vor Bekanntmachung des Erwerbsangebots der Hauptaktionärin mit dem erklärten Ziel, die Kapitalbeteiligung auf 95 % aufzustocken, als auch im Drei-Monats-Zeitraum vor Bekanntgabe des beabsichtigten Squeeze-out – der Annahme einer Aussagekraft des Börsenkurses entgegen, kommt es auf die Analyse weiterer Aspekte der konkreten Informationsverarbeitung nicht an.
6. Für die Bestimmung von künftigen Wechselkursen gibt es derzeit keinen überlegenen theoretischen Ansatz. Annahmen zu erwarteten künftigen Wechselkursen sind für die gerichtliche Schätzung des Unternehmenswertes geeignet, wenn sie aus einer in den Wirtschaftswissenschaften anerkannten und gebräuchlichen Prognosemethode hier – der Kassakursmethode (sog. naive Prognose) – abgeleitet und plausibel sind.
7. Der Ansatz der Marktrisikoprämie mit 5,5 % nach Steuern ist bezogen auf den Bewertungsstichtag 30. Juni 2016 nicht zu beanstanden.
8. Vorerwerbspreise sind grundsätzlich nur im Rahmen von Plausibilitäts- und Kontrollerwägungen relevant.