RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln
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2199-1715
Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft
ZBB
2022
RechtsprechungOberlandesgerichteZPO §§ 294, 916 ff.; StPO §§ 111b, 111e, 111h Abs. 2 Satz 1; BGB §§ 249, 826Untersuchungshaft des Antraggegners beseitigt nicht Arrestgrund („Wirecard“)
ZPO§ 294
ZPO§§ 916 ff.
StPO§ 111b
StPO§ 111e
StPO§ 111h
BGB§ 249
BGB§ 826
OLG München, Urt. v. 11.11.2021 – 8 U 5670/21 (LG München I), WM 2021, 2344 = NJW-RR 2022, 140 = NZG 2022, 282 = WuB 2022, 116 = AG 2022, 290OLG MünchenUrt.11.11.20218 U 5670/21WM 2021, 2344NJW-RR 2022, 140NZG 2022, 282WuB 2022, 116AG 2022, 290LG München I
Leitsätze des Gerichts:
1. Im Rahmen des Arrestverfahrens genügt es nach § 294 ZPO für die Glaubhaftmachung einer Behauptung, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass sie zutrifft. An die Stelle des Vollbeweises tritt eine Wahrscheinlichkeitsfeststellung.
ZBB 2022, 256
2. Die erforderliche überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung kann sich auch aus der Vorlage einer hinreichend substantiierten Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft jedenfalls dann ergeben, wenn aufgrund dieses Tatvorwurfs ein Haftbefehl gegen den Arrestbeklagten erlassen und somit ein dringender Tatverdacht bejaht wurde.
3. Zu den Schlüssigkeitsvoraussetzungen für die Höhe des Anspruchs bei einer Saldoklage über zahlreiche Kauf- und Verkaufsvorgänge.
4. Jedenfalls beim Kauf von Aktien spricht grundsätzlich ein sich aus der allgemeinen Lebenserfahrung ergebender Erfahrungssatz mit überwiegender Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Anleger die Aktien in Kenntnis der verschwiegenen Machenschaften nicht gekauft hätten. Ob das auch für Investments mit rein spekulativem Charakter gilt, kann hier dahinstehen (vgl. dazu Beschluss des Senats v. 16. 11. 2021 – 8 W 1541/21, WM 2021, 2435).
5. Ein Arrestgrund kann nicht allein mit der Begründung verneint werden, dass sich ein Arrestbeklagter seit längerem in Untersuchungshaft befindet.
6. Die Beschlagnahme nach § 111b StPO oder der Vermögensarrest nach § 111e StPO beseitigen den Arrestgrund nicht. § 111h Abs. 2 Satz 1 StPO hindert grundsätzlich nur eine Vollstreckung des Arrests in die sichergestellten Vermögenswerte. Ob dies anders – z. B. im Sinne eines Rechtsmissbrauchs – zu beurteilen wäre, wenn ein Antragsteller wiederholt Arrestanträge gleichsam „ins Blaue“ stellt ohne jede Aussicht auf eine zulässige Pfändung, kann derzeit offen bleiben.