ZBB 2024, 155

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Köln 2199-1715 Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft ZBB 2024 Literatur

eWpG – Gesetz über elektronische Wertpapiere mit Börsen-, Prospekt-, Depot-, Schuldverschreibungs-, Aufsichts- und Investmentrecht. Von Stephan Schulz und Karl-Alexander Neumann (Hrsg.).

2023, RWS Verlag, Köln. 634 S., ISBN 978-3-8145-8248-1. € 139.
Das am 3. 6. 2021 in Kraft getretene Gesetz über elektronische Wertpapiere steuert zielsicher auf seinen dritten Geburtstag zu. Die spätestens nach fünf Jahren vorgesehene Evaluierung des Gesetzes (vgl. Begr. RegE eWpG, BT-Drucks. 19/26925, S. 37) steht zwar noch aus. Jedenfalls die praktische Bedeutung von Kryptowertpapieren ist derzeit jedoch überschaubar. Die von der BaFin zu führende Liste der Kryptowertpapiere weist im März 2024 (Stand: 25. 3. 2024) nur 78 Emissionen aus. Einer der Gründe mag in der komplexen Regelungsarchitektur des eWpG liegen, die durch die Technologieoffenheit des Gesetzes (Begr. RegE eWpG, BT-Drucks. 19/26925, S. 41) nicht unwesentlich potenziert wird. Vor diesem Hintergrund sind gelungene Kommentierungen sowohl für die praktische Anwendung des Gesetzes als auch für die wissenschaftliche Befassung mit elektronischen Wertpapieren unerlässlich.
Im Spätsommer 2023 ist im RWS Verlag nun der insgesamt dritte Kommentar zum eWpG und zugehörigen Neuerungen in anderen Gesetzen (z. B. WpPG, DepotG, SchVG, KWG) erschienen. Die Herausgeber – zwei Partner der Kanzlei Noerr – versprechen im Vorwort eine ausgewogene und praxisorientierte Darstellung aus der Perspektive sowohl des Kapitalmarkt- als auch des Finanzaufsichtsrechts, die ZBB 2024, 156zugleich höchsten wissenschaftlichen Ansprüchen genügt. Diesen hohen Zielen wird der Kommentar – so viel sei vorweggenommen – ohne Weiteres gerecht. Ausgehend von dem tiefgehenden technischen Verständnis vieler der Autoren bietet er eine auch dogmatisch fundierte Durchdringung des Normenbestandes, die sowohl grundlegende Themen adressiert als auch Detailfragen praxisgerecht aufbereitet und überwiegend überzeugenden Lösungen zuführt.
Die doppelte Zielrichtung – Praxisorientierung und Wissenschaftlichkeit – spiegelt sich auch im Autorenkreis wider. Eine Mehrzahl der Autoren stammt aus der Anwaltschaft und Unternehmen des Finanzsektors, ein anderer Teil ist akademisch beheimatet. Auch die beiden inhaltlichen Schwerpunkte – Kapitalmarkt- und Finanzaufsichtsrecht – sind in den Tätigkeitsschwerpunkten der Autoren etwa gleichrangig vertreten, was insgesamt eine thematische Ausgewogenheit der Kommentierung sicherstellt.
Inhaltlich scheuen die Autoren sich nicht, auch grundlegende Kritik an der Zielsetzung des Gesetzes oder wesentlichen Regelungsentscheidungen zu äußern. So wirft Alfes (§ 12 Rz. 27 ff.) etwa die berechtigte Frage auf, ob mit der Ersetzung von Papierurkunden durch elektronische Wertpapiere wirklich die durch das Gesetz intendierte Senkung von Transaktionskosten einhergeht, wenn man berücksichtigt, dass neue Kosten- und Aufwandspositionen entstehen (z. B. für die Registerführungssoftware oder zur Abwehr von Hackerangriffen). Sopart (§ 17 Rz. 27 ff.) arbeitet zudem für Kryptowertpapierregister heraus, dass das Erfordernis der registerführenden Stelle als zentrale Instanz im Widerspruch zur dezentralen Konzeption des Registers steht. Auch weist sie auf Blockchain-untypische Sicherheitslücken hin, die aus der konkreten Ausgestaltung der Registerführung erwachsen. Vor diesem Hintergrund scheint die Frage berechtigt, ob die Technologie-Neutralität des eWpG wirklich angemessen ist (Sopart, § 17 Rz. 50). Positiver bewertet Denga (§ 2 Rz. 19) die in § 2 Abs. 3 eWpG enthaltene grundlegende dogmatische Weichenstellung, die elektronische Wertpapiere körperlichen Gegenständen gleichstellt (kritischer: Guntermann, AG 2023, 426, 434).
Einen besonderen Mehrwert bietet die äußerst eingängige Darstellung der technischen Grundlagen des eWpG. Insbesondere die Kommentierungen von Sopart und Ostermeier zum Kryptowertpapierregister (§§ 17, 18 eWpG) sind insoweit unbedingt lesenswert.
Auch zu Einzelfragen bietet die Kommentierung sowohl praxisgerechte als auch dogmatisch überzeugende Lösungen. Exemplarisch sei etwa der von Denga stammende Vorschlag genannt, bei einer – schon wegen der Richtigkeitsvermutung gem. § 26 Satz 1 eWpG anzuerkennenden – Inhaberschaft mehrerer Personen einen Vermerk analog § 47 (Abs. 1) GBO in das Register aufzunehmen (Denga, § 3 Rz. 7). Alfes (§ 14 Rz. 27) weist an anderer Stelle zutreffend darauf hin, dass es für die Frage, ob der eingetragene Inhaber zur Erteilung einer auf die Änderung des Registerinhalts gerichteten Weisung „berechtigt“ ist (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 eWpG), bei der Sammeleintragung nicht auf die materielle Rechtsinhaberschaft (§ 3 Abs. 2 eWpG) ankommen kann, sondern auf das Innenverhältnis zwischen eingetragenem Inhaber und materiellem Rechtsinhaber. Ostermeier (§ 18 Rz. 6) stellt zudem zu § 18 eWpG klar, dass die registerführende Stelle Änderungen im Kryptowertpapierregister nicht „vornehmen“ kann, sondern sie auf eine initiierende Transaktionsnachricht an das dezentrale Netzwerk beschränkt ist. Ferner löst Schulz (§ 24 Rz. 33 f.) die Frage nach einem Anspruch auf Korrektur einer materiell unrichtigen Registereintragung infolge einer unwirksamen Verfügung dogmatisch überzeugend auf, indem er dazu den potenziell fortbestehenden Erfüllungsanspruch bzw. §§ 812 ff. BGB oder § 985 BGB – jeweils gerichtet auf die Abgabe einer die Korrektur bewirkenden Weisung an die registerführende Stelle (§ 14 Abs. 1 Nr. 1, § 18 Abs. 1 Nr. 1 eWpG) – heranzieht. Eines Berichtigungsanspruchs analog § 894 BGB, der teilweise in der Literatur befürwortet wird (vgl. etwa: Saive, ZRP 2021, 219, 221), bedarf es daneben in der Tat nicht. Dies gilt umso mehr, wenn man die Inhaberschaft (§ 3 Abs. 1 eWpG) – was allerdings nur bedingt überzeugt (kritisch dazu: Guntermann, AG 2021, 449, 456) – mit dem Besitz gleichsetzt (vgl. Begr. RegE eWpG, BT-Drucks. 19/26925, S. 41). Dann ist das aus der physischen Welt bekannte Nebeneinander von § 985 BGB und § 894 BGB entbehrlich. Unter der Prämisse, dass die Inhaberschaft dem Besitz gleichzusetzen ist, ist es außerdem naheliegend anzunehmen, dass in Fällen der Sammeleintragung der mittelbare Besitz des Berechtigten (§ 3 Abs. 2 eWpG) darauf beruht, dass er gem. § 9b Abs. 2 DepotG in Höhe des auf ihn entfallenden Anteils eine Überführung der Sammel- in die Einzeleintragung verlangen kann (Schulz, Vor §§ 24 – 27 Rz. 10).
Die Änderungen, die das eWpG durch das am 15. 12. 2023 in Kraft getretene Gesetz zur Finanzierung von zukunftssichernden Investitionen (ZuFinG) erfahren hat, lassen die Kommentierung, die sich auf dem Stand von Mai 2023 befindet, keineswegs überholt erscheinen. Zwar fehlen vertiefte Ausführungen zur elektronischen Aktie, auf die der Anwendungsbereich des eWpG durch das ZuFinG erstreckt wurde (vgl. nur Schulz/Neumann, Einleitung Rz. 32 f.; eingehend dazu: Guntermann, AG 2024, 13). Die Änderungen durch das ZuFinG beschränken sich jedoch an vielen Stellen auf terminologische Anpassungen. Der Großteil der kommentierten Vorschriften findet ohne Weiteres auch auf elektronische Aktien Anwendung, so dass das Werk auch insoweit eine bedeutsame Erkenntnisquelle bietet. Die wenigen spezifisch-inhaltlichen Änderungen zur elektronischen Aktie (z. B. §§ 30a f. eWpG), die die Kommentierung nicht behandelt, fallen daneben kaum ins Gewicht.
Sucht man nach kritikwürdigen Punkten, lässt sich lediglich das leicht unscharfe Druckbild der Druckfassung nennen, das den Lesefluss allerdings nicht stört. Für eine Neuauflage wäre zudem eine stärkere Verzahnung der einzelnen Bearbeitungen wünschenswert. Die insgesamt nur sehr sparsam eingesetzten Querverweise führen dazu, dass dem Leser stellenweise divergierende Lösungen für dieselben Rechtsfragen präsentiert werden. Mehrere Kommentarstellen betreffen etwa die Gleichstellung der Inhaberschaft (§ 3 Abs. 1 eWpG) mit dem Besitz an körperlichen Gegenständen. Während Sopart (§ 17 Rz. 66) und Schulz (Vor §§ 24 – 27 Rz. 4 ff.) sowie mit Einschränkungen auch Alfes (§ 12 Rz. 104) die Gleichstellung befürworten, lehnen Lendermann/Nemeczek (§ 4 Rz. 33) und Denga (§ 2 Rz. 20) sie ab. Auch die Übertragung von elektronischen Wertpapieren in Sammeleintragung wird an mehreren Stellen thematisiert (Denga, § 2 Rz. 26; Hippeli, § 8 Rz. 13; Schulz, Vor §§ 24 – 27 Rz. 10 f.), ohne dass die Autoren eine eindeutige Lösung vorlegen würden. Nicht übereinstimmend beantwortet wird ferner die Frage nach der Einbeziehung von Kryptowertpapieren in Sammeleintragung in den Effektengiroverkehr. Während Lendermann/Nemeczek dies (allerdings eher beiläufig) bejahen (§ 4 Rz. 30), sprechen sich Alfes (§ 12 Rz. 131) und Denga (§ 1 Rz. 15) dagegen aus. Einzig Alfes liefert dafür eine Begründung, die aber nicht zwingend erscheint. Das Fehlen einer § 12 Abs. 3 eWpG entsprechenden Regelung für Kryptowertpapierregister ist insoweit unschädlich. Maßgebend ist vielmehr, dass es für Clearstream keinen Sinn macht, Kryptowertpapiere zur Girosammelverwahrung zuzulassen. Denn wegen des dezentralen Ansatzes des Kryptowertpapierregisters müssten zwei unterschiedliche technische Systemen einerseits für Kryptowertpapiere und andererseits für verbriefte Wertpapiere unterhalten werden. Dies hätte zur Folge, dass die durch § 12 Abs. 3 eWpG ermöglichten Synergieeffekte (Begr. RegE eWpG, BT-Drucks. 19/26925, S. 55) gerade auszubleiben drohen (Guntermann, AG 2023, 426, 431).
Trotz dieser marginalen Kritikpunkte lässt sich abschließend festhalten, dass die Herausgeber und das Autorenteam mit dem „Schulz/Neumann“ ein Werk vorgelegt haben, das in der Bibliothek von Kapitalmarkt- und Finanzaufsichtsrechtlern nicht fehlen darf. Seine Anschaffung ist nicht nur der Beratungspraxis, sondern auch einem wissenschaftlich interessierten Leserkreis uneingeschränkt zu empfehlen.
Jun.-Prof. Dr. Lisa Marleen Guntermann, Hamburg

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