RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH, Köln
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Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft
ZBB
2007
Rechtsprechung
VIII. Ausländische Gerichtsbarkeit
US-Forum-non-conveniens-DoktrinDeutschland als angemessener alternativer Gerichtsstand zu New York im Verfahren Kirch gegen Deutsche Bank und Breuer
US-Forum-non-conveniens-Doktrin
US District Court, Southern District of New York, Memorandum and Order v. 08.11.2006 – 04 Civ. 667(NRB), ZIP 2007, 114US District Court, Southern District of New YorkMemorandum and Order8.11.200604 Civ. 667(NRB)ZIP 2007, 114
Leitsätze:
1. Wählt ein deutscher Staatsbürger statt eines Zivilverfahrens im Inland für seine Klage einen alternativen Gerichtsstand in den USA gemäß Art. VI des Deutsch-amerikanischen Freundschaftsvertrages vom 29. 10. 1954 (BGBl II 1956, 487), steht die Zulassung am gewählten Gerichtsstand nach der Forum-non-conveniens-Doktrin im weiten Ermessen des Gerichts.
2. Bei der Ermessensentscheidung sind zu berücksichtigen,
- ob der gewählte Gerichtsstand im Hinblick auf den Wohnsitz des Klägers zweckdienlich ist,
- ob Beweismittel vor dem angerufenen Gericht besser verfügbar sind,
- ob der Beklagte im Heimatstaat des Klägers und im angerufenen Staat der Gerichtsbarkeit unterworfen ist,
- ob ein angemessenes Verfahren im Heimatstaat möglich wäre und
- ob sonstige Gründe – insbesondere Kosten – für eine Zweckdienlichkeit des gewählten Gerichtsstands sprechen.
3. Ein angemessenes Verfahren im Heimatstaat des Klägers ist auch dann noch zu bejahen, wenn es rechtliche oder taktische Nachteile im Vergleich zu einem Verfahren nach US-amerikanischem Recht gibt. Je mehr Aspekte des Forum-shopping im Vordergrund stehen, desto eher spricht dies für eine Nichtzulassung.
4. Gibt ein deutscher Bankmanager (Breuer, Deutsche Bank) während eines Tagungsbesuchs in New York für deutsche Medien ein Interview in deutscher Sprache und äußert sich dabei über ein deutsches Unternehmen des Klägers (Kirch), dann sprechen diese Umstände gegen die Zweckdienlichkeit eines Verfahrens in New York. Dass später auch New Yorker Finanzinstitute Investitionen in eine Restrukturierung der Unternehmensgruppe des Klägers eingestellt haben, ändert daran nichts.
5. Die Nichtzulassung einer Klage kann auch an Auflagen zum erleicherten Beweiszugang – etwa durch eine Auskunftserteilungspflicht des Beklagten – geknüpft werden. Allein die Tatsache, dass das deutsche Recht einem Kläger keinen Ausforschungsbeweis gewährt, führt jedoch nicht dazu, dass Deutschland kein „angemessener alternativer Gerichtsstand“ sein kann.