RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH, Köln
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Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft
ZBB
2012
Rechtsprechung
I. Europäischer Gerichtshof
EVÜ Art. 6 Abs. 2Zum Begriff der Niederlassung im internationalen Arbeitsvertragsrecht („Voogsgeerd“)
EVÜArt. 6
EuGH, Urt. v. 15.12.2011 – Rs C–384/10 (Hof van Cassatie (Belgien)), ZIP 2012, 143EuGHUrt.15.12.2011Rs C–384/10ZIP 2012, 143Hof van Cassatie (Belgien)
Urteilsausspruch (Verfahrenssprache: Niederländisch):
1. Art. 6 Abs. 2 EVÜ ist dahin auszulegen, dass das angerufene Gericht zunächst festzustellen hat, ob der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrags gewöhnlich seine Arbeit in ein und demselben Staat verrichtet, und zwar dem Staat, in dem oder von dem aus er unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände, die diese Tätigkeit kennzeichnen, seine Verpflichtungen gegenüber seinem Arbeitgeber im Wesentlichen erfüllt.
2. Für den Fall, dass das vorlegende Gericht der Ansicht ist, dass es über den bei ihm anhängigen Rechtsstreit nicht aufgrund von Art. 6 Abs. 2 Buchst. a EVÜ entscheiden kann, ist Art. 6 Abs. 2 Buchst. b EVÜ wie folgt auszulegen:
- Unter dem Begriff „Niederlassung…, die den Arbeitnehmer eingestellt hat“ ist ausschließlich die Niederlassung, die die Einstellung des Arbeitnehmers vorgenommen hat, und nicht die Niederlassung, bei der er tatsächlich beschäftigt ist, zu verstehen;
- der Besitz der Rechtspersönlichkeit ist keine Anforderung, die die Niederlassung des Arbeitgebers im Sinne dieser Bestimmung erfüllen muss;
- die Niederlassung eines anderen Unternehmens als desjenigen, das formal als Arbeitgeber auftritt und zu dem anderen Unternehmen Beziehungen unterhält, kann als „Niederlassung“ i. S. v. Art. 6 Abs. 2 Buchst. b EVÜ eingestuft werden, wenn sich anhand objektiver Umstände belegen lässt, dass die tatsächliche Lage nicht mit der sich aus dem Vertragstext ergebenden Lage übereinstimmt, und zwar auch dann, wenn die Weisungsbefugnis diesem anderen Unternehmen nicht formal übertragen worden ist.